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Neustrukturierung einer Kirchengemeinde

Umstrukturierungen ...

... verlaufen sehr unterschiedlich. Verschiedene Alternativen sind möglich:

  • Zusammenlegung/Fusion mehrerer bisher selbständiger Kirchengemeinden und/oder Einrichtungen und Neugründung einer neuen (Groß)-Kirchengemeinde. Am Ende dieses Prozesses steht eine neue Körperschaft des öffentlichen Rechtes, die in alle Rechte und Pflichten der bisherigen Arbeitsverträge eintritt.
  • Aufnahme einer oder mehrerer bisher selbständiger Kirchengemeinden und/oder Einrichtungen. Für die Mitarbeiter*nnen der aufnehmenden Kirchengemeinde ändert sich arbeitsrechtlich nichts. Für die Mitarbeiter*nnen der aufgenommenen Einrichtungen gilt, dass die aufnehmende Kirchengemeinde in alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag eintritt.
  • Der § 613a BGB regelt die Rechte und Pflichten bei einem Betriebsübergang4. Danach tritt der neue Dienstgeber in alle Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag ein:
    "Mitarbeiter*nnen müssen eine schriftliche Information erhalten über „den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs, den Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.“ 5

Zu klären ist, ob es sich um einen Betriebsübergang nach § 613a BGB oder um einen hoheitlichen Akt des Bischofs ohne Anwendung des BGBs handelt. Zur Frage des Betriebsübergangs gibt es unter schiedliche Rechtsauffassungen:

  • Siehe dazu: Gutachten Rechtsanwalt Dr. Gescher zu Betriebsübergang nach § 613a BGB bei Neustrukturierung von Pfarrgemeinden6 .
  • Siehe dazu: ZMV - Rechtsanwältin Dr. Menges zur Umstrukturierung von Kirchengemeinden7.

 

Gültigkeit der bisherigen Arbeitsverträge:

  • Es ist nicht notwendig neue Arbeitsverträge abzuschließen, da die neue Kirchengemeinde in den bestehenden Arbeitsvertrag eintritt. Sollte den Mitarbeiter*nnen im Zuge des Betriebsübergangs neue Arbeitsverträge vorgelegt werden, ist darauf zu achten, dass diese Verträge keine versteckten Verschlechterungen enthalten.
  • Einzelvertragliche Regelungen haben weiterhin Bestand (z.B. eine Festlegung des Dienstortes, soweit dies vereinbart wurde).

 

Dienstvereinbarungen (§ 38 MAVO) bei Betriebsübergang

Der § 613a BGB regelt die Rechte und Pflichten bei einem Betriebsübergang und die Gültigkeit von Betriebsvereinbarungen8. Danach tritt der neue Dienstgeber in die Rechte und Pflichten aus den zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein.

Insbesondere bei Bekanntwerden von Strukturprozessen sollten MAVen erhaltenswerte Betriebsabläufe und arbeitsrechtliche Regelungen in einer Dienstvereinbarung sichern, damit diese nach Neugründung der Kirchengemeinde weiterhin Gültigkeit behalten.

Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass Dienstvereinbarungen nicht unmittelbar und zwingend auf die individuellen Arbeitsverhältnisse wirken. Es ist vielmehr eine gesonderte Übernahme in das jeweilige Arbeitsverhältnis erforderlich.
Siehe dazu Christian Wiszkocsill, Dienstvereinbarung Quo Vadis? ZMV 2017, Seite 78 ff.9

Nach derzeitiger Kommentierung und Praxis lassen sich folgende Aussagen treffen:

  • Dienstvereinbarungen, die zwischen Dienstgeber und MAV einer Einrichtung geschlossen wurden, bleiben für die Mitarbeiter*innen dieser Einrichtung weiterhin gültig.
  • Eine neu geschlossene Dienstvereinbarung kann nach einem Rechtsträgerwechsel gegebenenfalls günstigere Regelungen aus einer vorherigen Dienstvereinbarung aufheben.
  • Eine bestehende Dienstvereinbarung kann jederzeit durch schriftlichen Aufhebungsvertrag ohne Nachwirkung zwischen Dienstgeber und MAV aufgehoben werden.
  • Eine bestehende Dienstvereinbarung kann grundsätzlich sowohl vom Dienstgeber als auch von der MAV mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden (ggf. sind Schutzfristen zu beachten).
  • Im Fall einer Kündigung einer Dienstvereinbarung nach § 38 Abs. 4 MAVO beseitigt ein Aufhebungsvertrag die Nachwirkung der Dienstvereinbarung nach § 38 Abs. 5 MAVO erst nach Ablauf der Kündigungsfrist (3 Monate zum Monatsende).

Durch die unterschiedlichen Situationen kann es zu Konstellationen kommen, die hier nicht abgebildet werden. Dazu bieten die einschlägigen MAVO-Kommentare und die aktuelle Rechtsprechung zusätzliche Hinweise

 

MAV Beteiligung nach § 29 MAVO

Nach § 29 Absatz 1 Nr. 17 MAVO ist die MAV durch Anhörung und Mitberatung zu beteiligen, bevor Entscheidungen in den Einrichtungen zu Schließung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Einrichtungen oder wesentlichen Teilen von ihnen getroffen werden.10

Das Beteiligungsverfahren könnte nach folgendem Beispiel ablaufen:

  • Erste Überlegungen des Dienstgebers zu einer Kooperation mehrerer Kirchengemeinden mit dem Ziel eines Betriebsübergangs:
    Der Dienstgeber informiert die betroffene MAV, wenn nötig mit der Bitte um Verschwiegenheit, über seine Überlegungen. Dies gilt zum Schutz von Gedankenspielen. Sobald konkrete Überlegungen des Dienstgebers gereift sind, ist die Verschwiegenheit aufzuheben.
  • Konkrete Planung eines Betriebsübergangs:
    Die betroffene MAV ist nach § 29 Absatz 1 Nr. 17 MAVO vom Dienstgeber frühzeitig zu informieren und anzuhören, damit die MAV noch in der Planungsphase ihren Beitrag leisten kann. Sie hat einen einzigartigen, wertvollen Blickwinkel aus der Sicht der Mitarbeiter*innen beizutragen. Ihre Beteiligung wird die Zahl der zu Beteiligenden erhöhen und Zeit erfordern, gleichzeitig erhöht die MAV-Beteiligung deutlich die Akzeptanz und Bereitschaft der Mitarbeiter*innen, am Änderungsprozess mitzuwirken.

Fragestellungen:

  • Welche Möglichkeit gibt es als MAV in Gremien mitzuarbeiten, die sich mit der Strukturveränderung befassen? Die MAV kann durch eine/n Vertreter*in bei den wichtigen Gesprächen direkt die nötigen Informationen erhalten und ihre Sicht einbringen.
  • Welche Möglichkeiten gibt es als MAV die Mitarbeiter*innen transparent zu informieren? Um Ängsten vorzubeugen und Gerüchten zu entgegnen, könnten Mitarbeiterversammlungen von der MAV alleine oder vom Dienstgeber unter Beteiligung der MAV durchgeführt werden. Ein sinnvoller Zeitpunkt ist zu Beginn des Prozesses und vor dem Betriebsübergang.
  • Welche Möglichkeit gibt es als MAV, die Beteiligungsrechte nach MAVO wahrzunehmen? Die MAV kann durch das Erkennen und Bedenken möglicher Konflikte in den neuen Strukturen viel zu einem reibungslosen Start und einem guten Gelingen beitragen.

Zeitschiene bis zum Betriebsübergang:
Für große Projekte mit vielen Beteiligen ist es günstig, eine Zeitschiene mit den zu beteiligenden Gremien zu erstellen. Die MAV wird die Zeitschiene auf die MAVO-Rechte hin überprüfen und somit auch für das MAVO-konforme Vorgehen sorgen.
In den weiteren Überlegungen wird davon ausgegangen, dass die alten Kirchengemeinden aufgelöst und eine neue Kirchengemeinde gegründet wird, da in der zweiten Möglichkeit für die hinzukommenden Kirchengemeinden die rechtlichen Folgen identisch sind und für Mitarbeiter*innen der aufnehmenden Kirchengemeinde keine Änderungen entstehen.
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4 Anlage 3, § 613a BGB, Betriebsübergang
5 Anlage 3, § 613a Absatz 5 BGB, Betriebsübergang
6 Anlage 4, Gutachten Rechtsanwalt Dr. Gescher zu Betriebsübergang nach § 613a BGB und
Anlage 4a, ZMV 2017, Nr. 2 Seite 74ff - Fusion von Kirchengemeinden - Betriebsübergang
nach § 613a BGB
7 Anlage 5, ZMV 2011, Nr. 5 Seite 234 – Rechtsanwältin Dr. Menges zur Umstrukturierung
von Kirchengemeinden
8 Anlage 3, § 613a BGB, Rechte und Pflichten bei Betriebsübergang
9 Anlage 13, Christian Wiszkocsill, Dienstvereinbarung Quo Vadis? ZMV 2017, Seite 78 ff.
10 Anlage 4a, ZMV 2017, Nr. 2 Seite 74ff - Fusion von Kirchengemeinden - Betriebsübergang
nach § 613a BGB

Arbeitshilfe für DiAG-MAVen: